Inklusion
abgeschlossene Projekte
Rechtsfragen bei der Einschätzung (drohender) Teilhabebeeinträchtigung in der Kinder- und Jugendhilfe: Implikationen der Änderungen durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG)
Laufzeit: April 2018 – November 2018
Kooperationspartner:
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Kinder- und Jugendpsychiatrie des Universitätsklinikums Ulm
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Deutsches Jugendinstitut e.V. (DJI)
Im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hat die Kinder- und Jugendpsychiatrie des Universitätsklinikums Ulm in Kooperation mit dem Deutschen Jugendinstitut (DJI) für die Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe ein Instrument zur Beurteilung und Dokumentation von (drohenden) Teilhabebeeinträchtigungen bei Kindern und Jugendlichen entwickelt. Das SOCLES Inklusion wurde mit einer Rechtsexpertise beauftragt, die in diesem Kontext relevanten Rechtsfragen darzustellen.
Jugendamt als Rehabilitationsträger
Wird in einem Jugendamt ein behinderungsbedingter Hilfebedarf (sog. Rehabilitationsbedarf) eines Kindes, Jugendlichen oder auch Volljährigen bekannt, wird es auch in seiner Eigenschaft als Rehabilitationsträger aktiviert (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 6 SGB IX). Es gelten ergänzend, zum Teil sogar ersetzend, die Vorgaben des Rehabilitationsrechts im SGB IX. Mit dem im Dezember 2016 verabschiedeten – und in mehreren Reformstufen sukzessiv bis 2023 in Kraft tretenden – Bundesteilhabegesetz (BTHG) wurde das Rehabilitationsrecht grundlegend neu gefasst. Im seit 1.1.2018 geltenden Teil 1 des SGB IX finden sich die allgemeinen Verfahrens- und Leistungsregelungen, die für alle Rehabilitationsträger verbindlich sind. Für die Kapitel 2 bis 4 gilt sogar ein ausdrücklicher Vorrang gegenüber den Regelungen des jeweiligen Leistungsgesetzes, hier des SGB VIII (vgl. § 7 Abs. 2 SGB IX).
Relevante Rechtsaspekte in der Teilhabeprüfung
Die rechtlichen Neuerungen durch das BTHG haben daher auch relevante Auswirkungen auf die Prüfung der Leistungsvoraussetzungen und die Gestaltung des Verfahrens im Kontext des § 35a SGB VIII und waren demzufolge auch im Rahmen der im vorliegenden Projekt angestrebten Instrumentenentwicklung grundlegend mit zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund nimmt die Rechtsexpertise insb. folgende Aspekte mit in den Blick:
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Die in § 35a Abs. 1 SGB VIII unverändert gebliebene binäre Behinderungsprüfung weicht von dem neuen Behinderungsbegriff des § 2 Abs. 1 SGB IX und seinem sog. bio-psychosozialen (Wechselwirkungs-)Modell ab. Fraglich ist daher, inwieweit die Neuerung gleichwohl auch für die Kinder- und Jugendhilfe Verbindlichkeit erlangt und somit im Rahmen der Instrumentenentwicklung auch diese Wechselwirkungsdimension relevant ist?
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Das zentrale Koordinierungsinstrument liegt zukünftig in der Aufstellung eines sog. Teilhabeplans (§19 SGB IX), wobei der Klärung bedarf, welchen Anforderungen das Zusammenspiel zwischen Teilhabe- und Hilfeplanung unterliegt. Im Abgleich der gesetzlich vorgestellten Inhalte bezüglich des Teilhabeplans (§ 19 Abs. 2 SGB IX) mit denen, die regelmäßig im Rahmen von Hilfeplanverfahren nach § 36 iVm § 35a SGB VIII thematisiert werden, arbeitet die Expertise die zusätzlich in die eigenen Verfahren aufzunehmenden Elemente heraus.
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§ 13 SGB IX macht den Rehabilitationsträgern verbindliche Vorgaben hinsichtlich der für die „Erkennung und Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs“ einsetzbaren Instrumente. In genauerer Auseinandersetzung mit den Gesetzeszielen und besonderer Inblicknahme der Verschränkungen mit den Vorschriften der Koordinierung (§§ 14, 15 SGB IX) erarbeitet die Expertise Hinweise, wie sich die in § 13 SGB IX eingeforderten Mindestanforderungen in dem Prüfinstrument konkret abbilden sollten, um insb. auch im Falle des Zusammentreffens mit anderen Rehabilitationsträgern anschlussfähig zu sein.
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Ein praxistaugliches Instrument muss die durch die Fristen des § 14 SGB IX stark verdichtete Prüf- und Entscheidungsverpflichtung gut mitdenken. Hinzu kommt die Beachtung der Regelung des § 15 SGB IX zur „Leistungsverantwortung bei Mehrheit von Rehabilitationsträgern“, wonach ein Rehabilitationsträger ggf. Feststellungen zum Rehabilitationsbedarf bei einem anderen Rehabilitationsträger einholen kann bzw. einzuholen hat und diese ggf. auch in der eigenen Prüfung und Leistungsentscheidung mit zu berücksichtigen hat. Die Expertise arbeitet die verschiedenen Fristkonstellationen zur alleinigen bzw. koordinierten Feststellung des Rehabilitationsbedarfs sowie zur Leistungsentscheidung heraus und stellt diese praxisverständlich dar.
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Nach § 12 Abs. 1 S. 1 SGB IX stehen die Rehabilitationsträger in der Pflicht, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass ein Rehabilitationsbedarf frühzeitig erkannt und auf eine Antragstellung hingewirkt wird. Die Expertise arbeitet insofern heraus, welche Anforderungen an ein Screening, Thematisieren und ggf. Prüfen potenzieller weiterer Bedarfe aufgrund einer seelischen Behinderung bestehen.
Gefördert / Finanziert durch:
Ansprechpartnerin:
Lydia Schönecker
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